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Beim Berlin-Marathon war Niels der Hase für Irina Mikitenko
Als lau­fen­der Ber­li­ner habe ich seit der Grund­schu­le tol­le Er­in­ne­run­gen an den Ber­lin-Ma­ra­thon. Da­mals war der Mini-Ma­ra­thon ein tol­les High­light und ich be­rei­te­te mich da­mals un­ter der An­lei­tung mei­nes Grund­schul­leh­rers im­mer sehr ge­wis­sen­haft vor. Zum Hö­he­punkt trug ich mein kör­per­be­ton­tes Tur­ner-Wett­kampf­tri­kot. Es gibt da­von auch ein Foto, aber das kann ich ge­ra­de nicht fin­den. Start war da­mals im­mer auf dem Ho­hen­zol­lern Damm. Das Ziel be­fand sich auf Höhe der Ge­dächt­nis­kir­che. Und ge­nau an die­sem Punkt war für mich auch rund 17 Jah­re spä­ter im Jahr 2013 das Ren­nen zu Ende. Die­ses Jahr hat­te ich da je­doch be­reits 35 Ki­lo­me­ter in den Bei­nen.

Als Tem­po­ma­cher für die mehr­fa­che Deut­sche Re­kord­hal­te­rin Iri­na Mi­ki­ten­ko war ich auf der Stra­ße des 17. Juni um 8:45 Uhr ge­star­tet. Mei­ne Auf­ga­be: Ein gleich­mä­ßi­ges Tem­po; 3 Mi­nu­ten und 26 Se­kun­den für je­den Ki­lo­me­ter. Ich war mir mei­nem ver­ant­wor­tungs­vol­len Job be­wusst, der für mich gleich­zei­tig eine gro­ße Ehre war. Das Ziel von Iri­na war nichts ge­rin­ge­res als der Welt­re­kord der über 40-Jäh­ri­gen. Eine Zeit von 2:25 oder schnel­ler muss­te des­halb am Ende auf der gro­ßen Uhr hin­ter dem Bran­den­bur­ger Tor im Ziel auf­leuch­ten. Ich hat­te mich schon ei­ni­ge Wo­chen lang auf die­sen Tag ge­freut. In mei­ner Vor­be­rei­tung auf die Deut­schen Ma­ra­thon-Meis­ter­schaf­ten in Mün­chen hät­te ich so­wie­so eine der­ar­ti­ge Be­las­tung ge­braucht. Da ist es für mich eine toll­te Mög­lich­keit, den Aus­dau­er-Test mit ei­nem Freund­schafts­dienst un­ter Läu­fern zu ver­bin­den. Es las­te­te auch nicht die gan­ze Ver­ant­wor­tung auf mei­nen Schul­tern. Herr­mann Ach­mül­ler aus Süd­ti­rol und ein afri­ka­ni­scher Läu­fer bil­de­ten mit mir und Iri­na das Quar­tett. Dazu war auch Iri­nas Mann Alex­an­der fast im­mer in Sicht­wei­te und kon­trol­lier­te mit der Stopp­uhr un­se­re Zwi­schen­zei­ten. Ich fin­de es be­mer­kens­wert, dass so un­ter­schied­li­che Läu­fer im Hin­blick auf die Her­kunft, Er­fah­rung, die Kör­per­grö­ße, Schritt­län­ge, das Al­ter, Trai­nings­al­ter und das Ge­schlecht es schaf­fen kön­nen, bei die­ser Pace aus­ge­spro­chen har­mo­nisch eine ge­wünsch­te For­ma­ti­on ein­zu­neh­men. Nach ei­nem ru­hi­gen Be­ginn, um nicht schon auf den ers­ten Me­tern, wo der Wind noch von hin­ten kam, zu über­zie­hen, hat­ten wir bei der 5-Ki­lo­me­ter­mar­ke das Welt­re­kord-Tem­po in den Bei­nen. Von da an ge­lang es uns je nach Stre­cken­ver­lauf, Wind­in­ten­si­tät, Ver­pfle­gungs­punk­ten die­se Pace auf 2 Se­kun­den ge­nau zu tref­fen. Die Halb­ma­ra­thon-Mar­ke pas­sier­ten wir nach 1 Stun­de 12 Mi­nu­ten und 24 Se­kun­den. Iri­na war die gan­ze Zeit in ih­rer “ei­ge­nen Welt” un­ter­wegs und ver­such­te so mög­lichst viel (Geistes-)Kraft für die ent­schei­den­den letz­ten 7 Ki­lo­me­ter zu sam­meln. Ich ge­noss der­weil die tol­le Stim­mung am Stre­cken­rand. Das gibt es wirk­lich nur in Ber­lin. Hier ver­sam­meln sich am Ma­ra­thon-Tag über 1 Mil­li­on Men­schen, um den Läu­fern schnel­le Bei­ne zu ma­chen. Und ich war wie­der mit­ten drin­nen. Auch vie­le Freun­de, Be­kann­te und mei­ne Fa­mi­lie wa­ren an die Stre­cke ge­kom­men, um uns an­zu­feu­ern. Das klapp­te auch her­vor­ra­gend. Ich fühl­te mich lo­cker und leicht. Wir flo­gen durch mei­nen Kiez zum Wil­den Eber und er­reich­ten auf Welt­re­kord­kurs die 30km-Mar­ke an der Kreuz­kir­che in Schmar­gen­dorf. Im ver­gan­ge­nen Jahr war ich hier aus­ge­stie­gen. Doch die­ses Jahr gab es noch eine klei­ne “Zu­ga­be”. Nun be­gann das letz­te Zehn­tel für mich auf der da­ma­li­gen Stre­cke des Mini-Ma­ra­thons. Nun soll­te aus dem Mini-Ma­ra­tho­ni ein ech­ter Welt­re­kord-Hase wer­den. Nach ei­nem schnel­len Stück ab­wärts zum Fehr­be­li­ner Platz wur­den wir am nächs­ten Stim­mungs­punkt am Oli­va­er Platz von Mo­de­ra­tor Sven Sto­eck­lein emp­fan­gen und ge­pusht. Iri­na lief wie ein Uhr­werk und so flo­gen wir auch den Ku’damm ent­lang. Ne­ben der blau­en Li­nie wies uns auch die Elek­tro-Neu­heit von BMW mit der gro­ßen Zeit­an­zei­ge auf dem Dach den Weg Rich­tung Ziel. An der Uh­land­stra­ße pas­sier­ten wir den Hot­spot des bay­ri­schen Au­to­bau­ers. Stan­des­ge­mäß gab hier der Münch­ner Pe­ter Mais­en­ba­cher al­les, um in uns Läu­fern die letz­ten Kraft­re­ser­ven zu mo­bi­li­sie­ren. Das gab ei­nen wei­te­ren Mo­ti­va­ti­ons­schub. Nun be­gann die hei­ße Pha­se. Die­sen Be­reich ab Ki­lo­me­ter 33 kann mann im Trai­ning sehr schwer si­mu­lie­ren. Ich war sehr froh, die­se Er­fah­rung vor mei­nem Ma­ra­thon-Hö­he­punkt noch ein­mal zu er­fah­ren. Kurz dar­auf wur­de ich am Stra­ßen­rand emp­fan­gen. An die­sem Tag war hier Schluss. Doch schon in zwei Wo­chen darf ich dann ge­nau an die­sem Punkt un­ter Be­weis stel­len, wel­che Ma­ra­thon­qua­li­tä­ten in mir ste­cken.

Wäh­rend ich mich auf dem Weg nach Hau­se be­fand, setz­te Iri­na Mi­ki­ten­ko ge­mein­sam mit Her­mann Ach­mül­ler ih­ren Weg zum er­träum­ten Mas­ters-Welt­re­kord fort. Alle an­de­ren Läu­fer, die sich zu Be­ginn des Ma­ra­thons an un­se­rer Grup­pe ge­hef­tet hat­ten, wa­ren zu dem Zeit­punkt alle ab­ge­fal­len. Gleich­zei­tig hat­te sich Iri­na auf den 3. Platz der Frau­en her­vor­ge­ar­bei­tet. Als ich zu Hau­se auf dem Bett lie­gend den Fern­se­her ein­stell­te, stürm­te sie schon mit ei­nem leich­ten Lä­cheln dem Bran­den­bur­ger Tor ent­ge­gen. In die­sem Mo­ment fiel mir ein gro­ßer Stein vom Her­zen. Sie wür­de es tat­säch­lich schaf­fen. Je­der Schweiß­trop­fen hat­te sich ge­lohnt. Wäh­rend sie über die Ziel­li­nie mit ei­ner Zeit von 2:24:54 Stun­den lief, ent­fuhr mir ein Ju­bel­schrei. Ich war ganz ge­rührt und mir ka­men klei­ne Freu­den­trä­nen. Dar­um lie­be ich den Ma­ra­thon. Die­se An­span­nung da­vor und die Emo­tio­nen da­nach sind ein­fach un­be­schreib­lich und was ganz be­son­de­res. Nun wer­de ich mich noch ein paar Tage ge­dul­den müs­sen und dann wer­de auch ich end­lich zu mei­nem ei­ge­nen Ma­ra­thon-Ren­nen an der Start­li­nie in Mün­chen ste­hen. Dort er­war­tet mich ein neu­es Aben­teu­er. Das Ha­sen­kos­tüm wer­de ich da­heim las­sen und ge­gen ein an­de­res aus­tau­schen. Für wel­ches ich mich ent­schei­de wer­det ihr viel­leicht auf den 42,195 Ki­lo­me­tern bis ins Olym­pia­sta­di­on ent­de­cken kön­nen.

Vor­be­richt: “Ich bin der Hase”
Fern­seh­über­tra­gung der ARD
Zu­sam­men­schnitt der Fern­seh­über­tra­gung