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Pisa Marathon 2014 - Niels Bubel

36 Ki­lo­me­ter lang war kein an­de­rer Ma­ra­thon-Läu­fer vor mir in Sicht­wei­te. Nur die Be­glei­tung auf den Renn­rä­dern war in mei­ner Nähe. Die meis­te Zeit war es trü­be und ne­be­lig. Doch in mir sah es an­ders aus. Ich war freu­dig ge­stimmt. Ich lag die gan­ze Zeit per­fekt auf mei­nem Kurs, mei­nen nächs­ten Ma­ra­thon, in­zwi­schen der sechs­te Lauf über die­se Distanz,erfolgreich zu be­en­den. Auf dem Weg aus der Stadt mit dem welt­be­rühm­ten schie­fen Turm, habe ich mich auf mein ei­ge­nes Tem­po­ge­fühl be­son­nen. Die an­de­ren soll­ten ru­hig schnel­ler lau­fen. Ich woll­te ein ab­so­lut kon­stan­tes Ren­nen be­strei­ten und mich auf der zwei­ten Hälf­te viel­leicht so­gar noch stei­gern kön­nen. Nach vier Wo­chen Trai­ning seit mei­ner Sai­son­pau­se war es ein Trai­nings­wett­kampf mit Luft nach oben. Eine Stand­ort­be­stim­mung und der Auf­takt für mei­ne nächs­ten Zie­le im kom­men­den Jahr.

Die ers­ten 5 Ki­lo­me­ter wa­ren trotz gro­ßer Zu­rück­hal­tung schnel­ler als ge­wollt. Ich brems­te mich auf die rich­ti­ge Ge­schwin­dig­keit her­ab. Hin­ter der Stadt­gren­ze von Pisa be­grenz­te der Ne­bel die Sicht auf teil­wei­se un­ter 100 Me­ter. Ich war al­lei­ne auf mich ge­stellt. Bei Ki­lo­me­ter 13 dreh­ten die Halb­ma­ra­thon­läu­fer um. Je­mand rief mir zu, ich läge auf Rang 4. Das hat­te ich über­haupt nicht er­war­tet. An­schei­nend ge­hör­ten die Meis­ten der vor­aus­ge­stürm­ten Spit­zen­grup­pe zum Halb­ma­ra­thon­feld. Nun reih­ten sich hin­ter mir eine Grup­pe Renn­rad­fah­rer ein, die mich ab nun be­glei­ten woll­ten. Das war toll. Beim nächs­ten Ver­pfle­gungs­punkt fuhr ei­ner vor­aus und kün­dig­te mich mit mei­ner Start­num­mer 5 an. Die pas­sen­de Trink­fla­sche wur­de her­aus­ge­sucht und für mich zur Über­ga­be be­reit­ge­hal­ten.

Die Land­schaft war im­mer noch im Ne­bel ver­sun­ken. Die Land­stra­ße ver­lief fast völ­lig ge­ra­de­aus. Schritt für Schritt lief ich in die Geis­ter­welt. Ab und zu kam eine Kur­ve. Der Asphalt war leicht feucht, aber mei­ne Schu­he — ich hat­te wie in Mün­chen den GEL-Eva­ti­on von ASICS an — bo­ten mir aus­rei­chend Grip. Es ging durch ei­nen dich­ten Pi­ni­en­wald dem Mit­tel­meer ent­ge­gen. Im­mer noch war ich der ein­zi­ge Läu­fer weit und breit. Aber auch bei der 20km-Mar­ke lag ich in mei­nem an­vi­sier­ten Tem­po. Hier ging es nun par­al­lel zur Küs­ten­li­nie erst nach Sü­den und dann nach ei­ner Punkt­wen­de wie­der zu­rück nach Nor­den.

Jetzt schien die Son­ne. Es war aber noch an­ge­nehm kühl. Auf­grund der Stre­cken­füh­rung ka­men mir die vor mir lie­gen­den Läu­fer ent­ge­gen, so dass ich den Ab­stand ab­schät­zen konn­te. Der drit­te lag cir­ca zwei Mi­nu­ten vor mir. Ich ori­en­tier­te mich zwar nach vor­ne, aber an­ders als in Mün­chen ver­schärf­te ich nicht das Tem­po. Ich kon­zen­trier­te mich auf mich selbst. Auf der lan­gen Ge­ra­den, die am Meer bis zu km 30 ver­lief, war vor mir kein Geg­ner aus­zu­ma­chen. Durch mei­ne treu­en Be­glei­ter, wur­de mir je­doch mit­ge­teilt, dass ich nä­her an Platz drei her­an lief.

Erst ein­mal ging es für mich aber dar­um, den kri­ti­schen Punkt beim Ma­ra­thon zwi­schen km 30 und km 35 zu über­ste­hen. Das ge­lang mir viel bes­ser als er­war­tet. Ich konn­te das Tem­po hal­ten und lief trotz Ge­gen­wind ei­nen Schnitt von un­ter 3:30 Mi­nu­ten pro Ki­lo­me­ter. Nun wa­ren es kei­ne 10 Ki­lo­me­ter mehr. Bei Ki­lo­me­ter 35 war­te­te mei­ne Freun­din an der Ver­pfle­gungs­stel­le auf mich. Wir woll­ten si­cher­ge­hen, dass ich dort mei­ne Trink­fla­sche be­kom­men wür­de. Ihre An­feue­rung tat rich­tig gut. Ne­ben ihr mach­te der gan­ze Stand Rem­mi-Dem­mi. So wur­de ich rich­tig be­flü­gelt und war gu­ter Din­ge für den letz­ten Ab­schnitt bis ins Ziel.

Am nächs­ten Kreis­ver­kehr sah ich auf der an­de­ren Sei­te den Läu­fer vor mir. Ich schau­te auf die Uhr. Als ich an der­sel­ben Stel­le an­ge­kom­men war, schau­te ich er­neut auf mein Dis­play: Es wa­ren kei­ne 20 Se­kun­den ver­gan­ge­nen. Es ging nun für Ma­ra­thon-Di­men­sio­nen al­les re­la­tiv schnell. Nach ca. wei­te­ren 500 Me­tern hat­te ich den Rück­stand gut ge­macht und lief di­rekt hin­ter ihm. Ei­nen wei­te­ren Mo­ment spä­ter war ich an ihm vor­bei­ge­zo­gen. Mei­ne Be­glei­ter feu­er­ten mich an. Sie rie­fen: “Gran­de, Gran­de”, und “Bra­vis­si­mo”.

Ich er­reich­te die Stadt­gren­ze von Pisa und lief dem Son­nen­schein ent­ge­gen. Mein Ma­ra­thon-Herz brann­te in mei­nem Her­zen und gab mir Kraft für die letz­ten Me­ter. Vom Arno-Ufer ging es den letz­ten Ki­lo­me­ter di­rekt bis zum schie­fen Turm. Dort lief ich als Drit­ter nach 2 Stun­den 26 Mi­nu­ten und 29 Se­kun­den ins Ziel ein. Ich freu­te mich nicht nur über das Er­geb­nis, son­dern auch über die Er­fah­rung nach dem Gar­da­see-Halb­ma­ra­thon er­neut in Ita­li­en bei ei­nem gro­ßen in­ter­na­tio­na­len Wett­kampf da­bei ge­we­sen zu sein.

Das tol­le Ge­fühl samt der Son­nen­strah­len neh­me ich gleich mit nach Ber­lin für das neue Jahr. Ich dan­ke, al­len, die mich in die­sem Jahr un­ter­stützt ha­ben, und ganz be­son­ders mei­nem Trai­ner und mei­ner Fa­mi­lie. Mein nächs­tes Ziel sind die Deut­schen Meis­ter­schaf­ten über 50 Ki­lo­me­ter am 28. Fe­bru­ar in Mar­burg.

Er­geb­nis­se