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Niels Bubel - Zugspitzlauf - Berlin

Nein, ich war nicht beim Zug­spitz Ul­tra­trail am Start. Am längs­ten Tag des Jah­res zog es mich in den ho­hen Nor­den Ber­lins. Dort lie­gen nicht die Al­pen, aber ein “Müll­berg” der auch als Nord­ber­li­ner Zug­spit­ze be­zeich­net wird. Und hier gibt es so­gar al­pi­ne Frei­zeit­mög­lich­kei­ten: Im Win­ter gibt es eine be­leuch­te­te Ski- und Ro­del­ab­fahrt, im Som­mer ei­nen gleit­flug­taug­li­chen Flug­hang und auf die Lü­bar­ser Höhe, die rund 85 Me­ter in den Him­mel ragt, füh­ren vie­le Wan­der­we­ge. In die­ses Ge­län­de lud der Ver­ein Team­work Sport + Events ein und die Vor­freu­de auf die­sen ein­ma­li­gen Zug­spitz­lauf wur­de von Tag zu Tag im­mer grö­ßer. Mer­lin Rose, ein er­fah­re­ner 800 Me­ter-Läu­fer, der mit sei­ner Fa­mi­lie den Lauf or­ga­ni­siert, hat­te mir ei­ni­ges ver­spro­chen.

Als ich am Renn­tag an der Fa­mi­li­en­farm Lü­bars an­kam, war ich sehr über­rascht — auf po­si­ti­ve Art und Wei­se. Hier bot sich mit ei­nem gut er­hal­te­nen Bau­ern­hof eine ein­drucks­vol­le Ku­lis­se. Ein tol­ler Start- und Ziel­punkt. We­ni­ge Me­ter da­ne­ben er­hob sich der “Hö­hen­zug”, von des­sen Gip­fel man eine tol­le Aus­sicht auf die um­ge­ben­de Land­schaft und die Groß­stadt ge­nie­ßen kann. Mei­ne Lau­ne hät­te schon jetzt nicht bes­ser sein kön­nen. Die Son­ne sorg­te für herr­lichs­tes Som­mer­wet­ter und auch ein we­nig Ner­ven­kit­zel stell­te sich ein. Wie wür­de mir die Stre­cke lie­gen? Wel­cher Geg­ner könn­te das Ren­nen zu ei­nem span­nen­den Du­ell wer­den las­sen? Beim Ein­lau­fen stell­te sich die Stre­cke als ein sehr an­spruchs­vol­ler Parkour her­aus. Ich schau­te mir die ers­ten Me­ter an und tes­te­te die Ser­pen­ti­nen bis nach oben aus. Das reich­te mir erst­mal und ich ent­schied, die rest­li­chen Mi­nu­ten mit lo­cke­rem Tra­ben zu ver­brin­gen, um mei­ne En­er­gie für den Wett­kampf zu spa­ren. Warm ge­nug war es mit 27 Grad oh­ne­hin und nach vie­len Wo­chen­ki­lo­me­tern wa­ren mei­ne Bei­ne schnell vom Mo­dus “lang­sam und lo­cker” mit ein paar Stei­ge­run­gen zum Ab­schluss des Ein­lau­fens auf “schnell und za­ckig” ein­ge­stellt.

An der Start­li­nie scharr­ten schon alle vor Auf­re­gung mit ih­ren Schu­hen. Das ge­wohn­te Bild. Ich war ver­mut­lich wie­der der Letz­te der sich lieb bit­tend ei­nen Platz in der ers­ten Rei­he si­cher­te. Ich mag es nicht, un­ge­dul­dig die Mi­nu­ten bis zum Start­schuss her­um­ste­hend her­un­ter­zu­zäh­len. Ich spü­re viel lie­ber den Druck, der sich auf­baut, wenn man erst drei Mi­nu­ten vor dem Start in sei­ne Wett­kampf­schu­he schlüpft und dann je­der Hand­griff stim­men muss. Im Ge­gen­satz zu den an­de­ren Läu­fen im Rah­men des Ber­li­ner Läu­fer­cups stand an die­sem Tag ein wasch­ech­ter Haupt­stadt­läu­fer, so wird die le­gen­dä­re Trai­nings­grup­pe der LG Nord Ber­lin um den 1500 Me­ter-Läu­fer Cars­ten Schlan­gen ge­nannt, ne­ben mir — Jo­han­nes Riewe. Das sorg­te für mehr Ad­re­na­lin, als ich er­war­tet hat­te. Wir wa­ren noch nie Sei­te an Sei­te in ein Ren­nen ge­gan­gen. Als am­tie­ren­der Ber­lin-Bran­den­bur­gi­scher Meis­ter über 5000 Me­ter und ei­nem flot­ten Halb­ma­ra­thon hat­te er zu­letzt ge­zeigt, dass er nicht nur auf der Mit­tel­stre­cke kon­kur­renz­fä­hig ist — ganz vor­sich­tig aus­ge­drückt.

Mein Herz poch­te mäch­tig. Die Zu­spitz-Mis­si­on wur­de ge­star­tet. Jo­han­nes im Mi­zu­no-Rot und ich im New­li­ne-Blau führ­ten das Feld auf den ers­ten fla­chen Me­tern ge­mein­sam an. Nach der ers­ten schar­fen Kur­ve lag ich vor­ne und durf­te das Ge­fühl ge­nie­ßen, an der Spit­ze zu lau­fen und das Tem­po zu be­stim­men. Ich ent­schied mich dazu, ein we­nig Druck zu ma­chen und zu se­hen, was pas­siert. Im­mer­hin woll­te ich hier nicht nur die Land­schaft ge­nie­ßen, son­dern auch ei­nen or­dent­li­chen Trai­nings­reiz set­zen. Oben an­ge­kom­men, ging es so­fort wie­der berg­ab. Dies­mal aber auf dem di­rek­ten Weg ne­ben der Ski­pis­te ent­lang. Zum Ver­schnau­fen blieb aber kei­ne Zeit. Un­ten an­ge­kom­men ging es um eine 180-Grad-Kur­ve und dann über die Wie­se wie­der steil berg­auf. Oben an­ge­kom­men konn­ten wir ein­mal tief Durch­at­men, dann ging es um ei­nen Mas­ten der Flut­licht­an­la­ge und den Hang di­rekt wie­der hin­un­ter. Jo­han­nes blieb mir wie er­war­tet dicht an den Fer­sen. Da­hin­ter ent­stand eine grö­ße­re Lü­cke, die sich im­mer wei­ter aus­dehn­te. Nach­dem drit­ten Mal auf den Berg hin­auf, wur­de wir auf der an­de­ren Sei­te am Flug­hang ent­lang zum Fuß der Er­he­bung ge­lei­tet. Ein Füh­rungs­rad­fah­rer be­glei­te­te uns da­bei. Auf dem schma­len Pfad lag ich im­mer noch in Füh­rung. Nach ei­ner wei­te­ren Keh­re stürm­ten wir er­neut dem höchs­ten Punkt ent­ge­gen. Von dort ging es in en­gen Kur­ven, wie in ei­ner Bob­bahn, zum Start­punkt zu­rück. Zwei wei­te­re Run­den stan­den uns be­vor. Nun ließ ich den Haup­stadt­läu­fer nach vor­ne. Der Ab­lauf wie­der­hol­te sich nun, nur in um­ge­kehr­ter Rei­hen­fol­ge. Ich hat­te kei­ne Mühe Jo­han­nes zu fol­gen. Die Ski­pis­te hau­te zwar or­dent­lich rein, aber zum Glück er­hol­te ich mich da­von im­mer so­fort wie­der sehr schnell. Wer zu die­sem Zeit­punkt auf Platz drei lag konn­te ich nicht mehr aus­ma­chen. Nun rich­te­te ich mei­ne Ge­dan­ken auf die drit­te Run­de. Wie wür­de es mir am ehes­ten ge­lin­gen, dass klei­ne Du­ell für mich zu ent­schei­den. Ich ent­schied vor­erst ab­zu­war­ten. Am ers­ten Auf­stieg in der drit­ten Run­de be­fand ich mich dann un­ge­wollt wie­der an der Spit­ze. Auf mo­de­ra­te Art und Wei­se nahm ich die Zick-Zack-Kur­ven. Für eine Vor­ent­schei­dung war es noch zu früh. Ich be­kam al­ler­dings den Ein­druck, dass ich noch ein we­nig fri­scher war als mein Kon­kur­rent. Ich konn­te mir aber nicht si­cher sein. We­nig spä­ter ging er wie­der an mir vor­bei. Als wir zum vor­letz­ten Mal die Kup­pe über­lie­fen war der Zeit­punkt ge­kom­men. Als Ma­ra­thon­läu­fer durf­te ich es nicht auf die letz­ten Me­ter drauf an­kom­men las­sen. Also mach­te ich jetzt auch berg­ab Druck und über­hol­te Jo­han­nes mit lan­gen Schrit­ten. Da ich mir nicht si­cher sein konn­te, ob er das Tem­po mit­ging, blieb ich die nächs­ten 1000 Me­ter auf dem Gas­pe­dal ste­hen. Ich ge­noss es ein­fach, der Son­ne ent­ge­gen zu lau­fen. Mit­ten in der Na­tur, auf ei­nem Feld, am Stadt­rand ei­ner Welt­stadt, zwi­schen ei­nem Müll­berg, ei­nem Bau­ern­hof und ei­ner Hoch­haus­sied­lung. Das ist Ber­lin! Erst am nächs­ten Wen­de­punkt wur­de ich wie­der ins Wett­kampf­ge­sche­hen zu­rück­ge­holt. Ich be­merk­te, dass ich al­lei­ne un­ter­wegs war. Jo­han­nes hat­te eine Lü­cken rei­ßen müs­sen. Die Ent­schei­dung war da­mit be­reits ge­fal­len. Den­noch wur­de ich nicht lang­sa­mer. Im Ge­gen­teil. Ganz be­freit er­reich­te ich zum letz­ten Mal das “Gip­fel­kreuz” und mach­te mich für den Lan­de­an­flug ins Ziel be­reit. So se­gel­te ich den Hang hin­ab und freu­te mich rie­sig über den Ap­plaus der Zu­schau­er und die Lao­la-Wel­le der Cheer­lea­der-Grup­pe.

Eine gan­ze Wei­le ließ ich die vie­len Emo­tio­nen auf mich ein­wir­ken, be­ob­ach­te­te den lan­gen Band­wurm der “ech­ten Aus­dau­er­läu­fer”, die ja viel län­ger durch­hal­ten müs­sen, und feu­er­te die an­de­ren Zug­spit­zer­prob­ten an. Ich war ein­fach nur hap­py. Die Sie­ger­eh­rung war ein wür­di­ger Ab­schluss die­ses tol­len Som­mer­abends. Mir wur­de ein ech­ter Bau­ern­korb mit ei­nem Laib Brot, Schmalz und ei­ner Fla­sche Wein über­reicht, die ich mir für ei­nen be­son­de­ren Mo­ment auf­he­ben wer­de, da ich nor­ma­ler Wei­se gar kei­nen Al­ko­hol trin­ke. Bei Mu­sik und net­ten Ge­sprä­chen ließ ich den Abend aus­klin­gen, be­vor es Zeit für den Heim­weg wur­de.

Ich dan­ke al­len, die die­sen Lauf or­ga­ni­siert ha­ben und für ei­nen rei­bungs­lo­sen Ab­lauf ge­sorgt ha­ben, und vor al­lem auch der “Nach­wuchs-Fo­to­gra­fin” Ma­ri­el Rose für die ge­lun­ge­nen Fo­tos, über die ich mich sehr freue.

Fo­tos (1) von Ma­ri­el Rose
Fo­tos (2)
Er­geb­nis­se